Warum der Körperschaftsstatus ein Identitätsanker ist!
Ich habe im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt den Artikel von Andreas Dreyer zum Thema "Körperschaftsstatus der Ortsgemeinde" gelesen - hier verlinkt. Still und leise - sicherlich nicht heimlich, aber von der Pfarrerschaft (und von Kirchenvorständen) überhaupt nicht aufgenommen und reflektiert - scheint das Thema schon ziemlich weit gediehen zu sein. Die Dokumente aus der Pfalz deuten darauf hin. Da werden andere Landeskirchen kaum zurückstehen.
Andreas Dreyer vertritt die These: Der Körperschaftsstatus des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) ist kein Adiaphoron, kein theologisch gleichgültiger Randaspekt. Er ist der Anker, der die historische und rechtliche Partnerschaft zwischen Kirche und Rechtsstaat sichert. In Zeiten, in denen Landeskirchen wie die Evangelische Kirche der Pfalz planen, diesen Status auf Gemeindeebene zugunsten einer zentralisierten Verwaltung aufzugeben, muss jedoch klar und offen über den hohen Preis dieser administrativen Rettungsversuche gesprochen werden.
1. Die Entmachtung der Ortsgemeinde
Die Zentralisierung der Verwaltung und die Überführung der Kirchengemeinden in Körperschaften kirchlichen Rechts (K.d.k.R.) ist keine Entlastung, sondern eine Entmachtung.
Wenn das, was ich bisher recherchiert habe - Verlust der Vermögenshoheit und Verlust der Anstellungshoheit -, zutrifft, dann müssen aber überall die Alarmglocken schrillen!
- Verlust der Vermögenshoheit: Mit dem K.d.ö.R.-Status gibt die Kirchengemeinde ihr Eigentum an den übergeordneten Kirchenbezirk ab. Damit verliert das lokale Presbyterium die Kontrolle über Kirchen, Pfarrhäuser und Gemeindehäuser. Das größte Risiko besteht darin, dass die Entscheidung über die Entwidmung oder Veräußerung von Immobilien nicht mehr dort getroffen wird, wo die Gemeinde lebt, sondern auf einer fernen Verwaltungsebene, die primär nach ökonomischer Effizienz entscheidet.
- Verlust der Anstellungshoheit: Die Kirchengemeinde verliert das Recht zur eigenständigen Besetzung von Pfarrstellen (Wahlrecht) und die Arbeitgeberfunktion für Küster, Sekretäre und Hausmeister. Diese Mitarbeitenden werden zu Ressourcen der Bezirksverwaltung, was die Identifikation und die Bindung an die lokale Gemeinde massiv schwächt.
Dieser Schritt mag kurzfristig im Plan und auf dem Papier den Verwaltungsaufwand reduzieren (die Hauptbegründung der Reformer), er erzeugt aber eine praktische Komplexität an der Schnittstelle: Ehrenamtliche Kontrolle über und Engagement für die eigenen Immobilien weicht langwierigen zentralen Genehmigungsprozessen.
Ich habe keine Phantasie, wie ein Kirchenbezirk ohne zusätzliches Personal diese Aufgaben managen will. Und die Bindung, die Personal vor Ort erreichen kann, die erreicht Personal auf der Bezirksebene niemals!
2. Das Problem des Profilverlusts wird verschärft
Die eigentliche Schwachstelle des Systems liegt jedoch tiefer: in dem von vielen Gemeindegliedern und Pfarrern empfundenen theologischen Profilverlust der Landeskirchen und Kirchenkreise.
Wie Dreyer betont, soll der K.d.ö.R.-Status das partnerschaftliche Vertrauen in den Rechtsstaat sichern. Doch dieses Vertrauen wird nur dann von innen heraus gestärkt, wenn die Kirche selbst glaubhaft ihren theologischen Auftrag (Verkündigung des Evangeliums, Darreichung der Sakramente gemäß der biblischen Botschaft und dem Bekenntnis) erfüllt.
Wenn die übergeordnete Körperschaft, die nun alle Fäden in der Hand hält, selbst kein klar wahrnehmbares theologisches Profil mehr ausstrahlt, sondern vor allem als Manager der Schrumpfung auftritt, wird die Zentralisierung das Problem nur verschärfen:
- Identifikationsvakuum: Die Gemeindeglieder sehen in der neuen, großen Verwaltungseinheit keinen geistlichen Leiter, sondern eine anonyme Instanz.
- Uniformität: Die theologische Vielfalt der Gemeinden und die Freiheit in der Gestaltung des lokalen Lebens droht einer standardisierten, verwalteten Grundversorgung zu weichen.
3. Die notwendige Gegensteuerung: Konzentration auf den Kern
Der K.d.ö.R.-Status muss, um zukunftsfähig zu bleiben, nicht nur verteidigt, sondern durch eine radikale Fokussierung der Kirchenämter auf ihre Kernaufgaben gestärkt werden.
Die Kirchenämter (Kirchenkreise/Bezirke), die ihre hoheitlichen Privilegien behalten, müssen sich von Aufgaben trennen, die das theologische Profil verschleiern:
- Entflechtung von Diakonie und Verwaltung: Die Verwaltung diakonischer (Groß)betriebe (Altenheime, Krankenhäuser etc.) muss organisatorisch und finanziell vollständig ausgelagert werden. Diese diakonischen Einrichtungen, so wichtig sie sind, müssen ihre Finanzierung vollständig über Drittmittel (Kassen, staatliche Förderungen, Spenden) absichern.
- Fokus auf Begleitung: Die Kirchenämter müssen sich auf ihre originären Aufgaben konzentrieren: die geistliche und seelsorgerliche Begleitung der Kirchengemeinden und die qualifizierte fachliche Unterstützung in jenen Bereichen (Bau, Finanzen, Personal), in denen lokale, ehrenamtliche Gremien überfordert sind.
Fazit: Die Aufgabe des K.d.ö.R.-Status der Gemeinden ist keine theologisch gleichgültige, sondern eine existenzielle Entscheidung. Sie entmachtet die lokale Kirche und schafft eine überforderte Zentralverwaltung. Bevor die Kirche diesen Schritt geht, muss sie das Vertrauen in die Fähigkeit und das theologische Profil der zentralen Leitungsebenen wiederherstellen. Nur wenn die Kirchenämter beweisen, dass sie mehr als nur Verwalter sind, kann die Zentralisierung funktionieren. Andernfalls wird der gewonnene administrative Vorteil mit dem Verlust der lebendigen Identität der Ortsgemeinden bezahlt.
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