Dienstag, 9. Dezember 2025

Kirche und Relevanz

Relevante Kirche?

Ich sag's doch: Als Pensionär hat man Zeit zum Lesen. Es ist wieder das "Deutsche Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt", aus dem ich den Artikel von Eckehard Möllers "Was ist relevant?" aufnehme. Eckehard Möller, Vorsitzender im Verband evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer, hatte diese Gedanken ursprünglich im Ramen der Mitgliederversammlung 2025 in Karlsruhe in seinem Geschäftsbericht vorgetragen.

Kurzzusammenfassung

Eckehard Möllers Artikel "Was ist relevant? – Veränderungen für Kirche und Pfarrberuf in einer sich wandelnden Gesellschaft" befasst sich mit den tiefgreifenden Veränderungen und Krisenerscheinungen der evangelischen Kirche in Deutschland. Er stellt die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz, insbesondere nachdem die Kirche während der Corona-Pandemie nicht als "systemrelevant" eingestuft wurde. Möller beschreibt ein Gefühl der Vergeblichkeit im Pfarrberuf, ausgelöst durch den kontinuierlichen Rückgang von Gemeindegliederzahlen, kirchlichen Handlungen (Taufen, Trauungen) und damit verbundenen Einnahmen. Er konstatiert, dass die überkommenen Strukturen der Volkskirche in der heutigen, sich wandelnden Gesellschaft kaum noch Relevanz besitzen. Zentrale Themen der Kirchenreform, die er anspricht, sind die Verlustängste und die Diskussion um das Dienstrecht der Pfarrerinnen und Pfarrer – insbesondere die mögliche Umstellung vom öffentlich-rechtlichen auf ein privatrechtliches Anstellungsverhältnis für Neueinstellungen. Er erörtert ferner die Frage nach der Körperschaftsform der Gemeinden und die Notwendigkeit von multiprofessionellen Teams sowie klaren Arbeitszeitregelungen, um die wachsende Überforderung der Geistlichen zu adressieren. Zusammenfassend fordert Möller einen offenen und angstfreien Dialog über diese tiefgreifenden Reformen, um die Rückgewinnung von Relevanz in Kirche und Gesellschaft zu ermöglichen, auch wenn dies das Aufgeben tradierter Privilegien bedeuten kann.

Einleitung zur Profession

Bevor ich auf Eckehard Möllers Ausführungen eingehe, ist es mir wichtig, meinen Ausgangspunkt zu klären: Ich betrachte den Pfarrberuf als einen Beruf mit Profession – vergleichbar mit den klassischen akademischen Berufen in der Medizin oder der Rechtswissenschaft. Ich habe mich in meinen 36 Dienstjahren stets als eine Art Freiberufler mit festem Gehalt verstanden, das mich und meine Familie absicherte. Dieses feste Fundament erlaubte es mir, den Beruf im vollen Sinne der Profession auszuüben: mit wissenschaftlich fundierter Kompetenz, hoher Autonomie und einer klaren ethischen Verantwortung für das Gemeinwohl. Ein solcher anspruchsvoller Beruf lässt sich nicht auf starre Arbeitszeiten reduzieren. Es gehörte zu meinem professionellen Selbstverständnis, dass es Wochen mit mehr als 40 Stunden gab – dafür aber auch die Freiheit und die Flexibilität, in anderen Zeiten Freiräume für mich und meine Familie zu schaffen. Die Gemeinde akzeptierte das. Das Streben nach einer solchen selbstgesteuerten Work-Life-Balance ist somit keine Privilegienforderung, sondern ein wesentliches Kennzeichen der Professionalität in einem Amt, das sich nicht an der Stechuhr, sondern an der komplexen Lebensrealität der Menschen orientiert. Auf dieser Grundlage möchte ich nun auf Möllers Artikel reagieren.

Die lokale Profession als Fundament kirchlicher Systemrelevanz


Relevanzverlust

Eckehard Möllers Artikel beschreibt präzise die strukturelle und finanzielle Krise der evangelischen Kirche – das Gefühl der Vergeblichkeit, den schmerzhaften Verlust der Systemrelevanz und die Diskussion um die nötigen Strukturreformen. Dies ist die notwendige Realität der Kirchenleitungen. Doch die eigentliche Krise der Kirche ist in meinen Augen eine Krise der Profession selbst, da sie an ihren Kernmerkmalen rüttelt: 

Zunächst die Erosion des gesellschaftlichen Mandats: Möller benennt die Kränkung, dass die Kirche in der Pandemie nicht als systemrelevant eingestuft wurde und ihre Rolle als moralische Instanz längst ausgespielt habe. Dies ist der schmerzhafteste Ausdruck, dass die Gesellschaft die geleistete Fachlichkeit nicht mehr als existenzielle Notwendigkeit anerkennt. 

Zweitens wird die Autonomie des Pfarrberufs bedroht: Das aktuell diskutierte Wechsel des Dienstverhältnisses vom öffentlich-rechtlichen Status zu privatrechtlichen Anstellungen stellt die Unabhängigkeit und Gestaltungsfreiheit des Pfarrers fundamental in Frage. Bei einer Reduzierung auf ein Angestelltenverhältnis droht die Degradierung der Pfarrperson zu einem hochregulierten, austauschbaren Funktionserfüller, deren Freiheit der Verkündigung letztlich eingeschränkt wird. 

Und drittens führt die von Möller beschriebene Vergeblichkeit – die sinkenden Zahlen und die Überforderung durch die überkommenen Volkskirchenstrukturen – zu einer Verbitterung im Amt. Pfarrer werden zu Notfallmanagern und administrativen Verwaltern, was zu einem Auseinanderdriften von akademischer Qualifikation und der tatsächlichen Tätigkeit führt und die Fähigkeit zur reflektierten Seelsorge aushöhlt.

Gelebte Relevanz auf der Mikroebene

Gerade weil Möller diese strukturellen Krisen so klar benennt, muss der Blick nun scharf auf das Gegenargument gerichtet werden – die gelebte Relevanz auf der Mikroebene. Mein 29-jähriger Dienst in der Gustav-Adolf-Kirchengemeinde hat mir gezeigt, dass die Kirche sehr wohl systemrelevant ist – in der Nachbarschaft, in der Stadt, im Landkreis. Der Bürgermeister sprach mir beim Abschied aus der Seele, als er sagte: "Sie haben fortwährend gezeigt, wie Kirche lebendig bleiben kann: indem sie nah bei den Menschen ist. Indem sie nicht nur sonntags im Gottesdienst wirkt, sondern mitten im Alltag." Er unterstrich die Präsenz an allen entscheidenden Lebenspunkten als entscheidenden Beitrag dazu, dass sich Menschen zu Hause fühlen konnten. Die Sozialdezernentin des Landkreises betonte zudem, dass ich nicht nur ein engagierter Interessenvertreter für die Kirchengemeinde, sondern auch für das Wohl des Einzelnen und die Menschen mit Fluchterfahrung war: "Sie waren niemals bequem und haben sich niemals in eine Komfortzone zurückgezogen." Sie hob meine Fähigkeit hervor, ein feines Gespür für die Rechtslage zu haben, aber nie nachzulassen, eine Lösung zu finden – genau die komplexe Aufgabe, die eine Profession kennzeichnet. Diese lokalen, überparteilichen und zutiefst menschlichen Dienstleistungen sind der Beweis dafür, dass die Profession des Pfarrers und die lokale Kirchengemeinde sehr wohl systemrelevant auf Mikroebene sind.

Inkompetenz der kirchenleitenden Ebenen

Umso irritierender wirkt die Inkompetenz der kirchenleitenden Ebenen, die Möller beispielhaft durch den absurden Ratschlag belegt: "Ihr müsst mehr taufen!" Diese quantitative Anweisung behandelt das Sakrament als simples Marketingziel, ignoriert die theologische Tiefe der Überzeugung und demonstriert einen Mangel an Realitätsblick für die seelsorgerische Arbeit. Ein solcher Ratschlag untergräbt das Vertrauen in die Leitung und beschleunigt die Entfremdung der Basis. 

Körperschaftsform

Die Verlockung, die Möller bei der Umstellung der Körperschaftsform beschreibt – die Gemeinden könnten sich auf ihre ureigensten Aufgaben wie Seelsorge und Verkündigung zurückziehen, befreit vom "Ballast, den Besitz mit sich bringt" – ist daher kritisch zu hinterfragen. Die materielle Verankerung ist nicht nur Ballast, sondern die Basis für die soziale Relevanz, die in meiner Gemeinde so gelobt wurde. Wer die Institution Kirchengemeinde nicht hält, verliert den Zugriff auf die Menschen. 

Das fordert schon ein hohes Maß an Präsenz vor Ort. Dabei will ich die berechtigte Forderung (junger) Kolleginnen und Kollegen nach einer Work-Life-Balance nicht ausblenden. Sie ist ein notwendiger Schutz der professionellen Leistungsfähigkeit. Jedoch wird dieser Ausgleich nicht mit Verweis auf feste Dienstzeiten erreicht. Dieser Ausgleich kann sinnvoll nur durch die eigene Autonomie und Selbstführung erreicht werden. Dieser Ausgleich, so zeigt es meine Erfahrung, wird von der Gemeinde akzeptiert, wenn die professionelle Qualität stimmt.

Kirche vor Ort ist durch nichts zu ersetzen

Der Pfarrverband und die Pfarrvertretungen müssen sich angesichts dieser Entwicklungen mit aller Entschiedenheit für eine Kirche vor Ort einsetzen, die in ihrer Autonomie und in ihrem Anspruch als Profession gestärkt wird. Dieses Engagement ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit für die Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern eine Frage der finanziellen Überlebensfähigkeit der gesamten Kirche. Die Kirchengemeinden vor Ort sind das Fundament – auch finanziell – der gesamten EKD. Bricht dieses Fundament, die einzige Quelle realer, spürbarer Relevanz und Glaubwürdigkeit, durch strukturellen Kahlschlag und kirchenleitende Entfremdung weiter weg, werden in der Folge auch die Finanzen weiter erodieren. Dann können EKD und Landeskirchen sehen, wie sie sich und ihre zentralen Vorhaben ohne die Basis finanzieren können. Die lokale Profession ist die einzige Antwort auf die Krise der Relevanz.

Montag, 8. Dezember 2025

Ecclesia evangelica, quo vadis? - 9. Teil

Gedanken zu Christoph Bergners Aufsatz "Der Verlust der Nähe - Wie die Kirche den Bezug zu sich selbst und zu ihren Mitgliedern verlor" im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt Oktober 2025 - hier anklicken. 

Er kann's nicht lassen!

Vorab: Als ich in meinem Predigtblog zum Reformationstag 2025 einen den Beitrag "Nachgedacht: Nüchternheit, Dialektik und der Gewinn einer neuen Mitte" veröffentlichte, kam prompt von einem Kollegen und einer Kirchenvorsteherin unabhängig voneinander eine Reminiszenz an Heinz Rühmann in seiner Rolle als Pfarrer Braun, jetzt eben bezogen auf mich: Er kann's nicht lassen!

Das stimmt offensichtlich, denn ich will auch hier diesen Blog wieder eröffnen. Und auch jetzt geht es um die Frage, wohin die evangelische Kirche driftet. 

Christoph Bergner: Der Verlust der Nähe ...

In der Ausgabe 2025/10 des “Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt” fand ich den eingangs erwähnten Artikel von Christoph Bergner. Dieser Artikel hat es in sich. Aktuell finden sich in der Onlineausgabe des Blattes 52 zustimmende Kommentare von ca. 20 Personen. Weil die von Bergner beschriebenen Tendenzen sich auch in der Hannoverschen Landeskirche abzeichnen, wurden die nachfolgenden Zeilen dankenswerterweise im Sprachrohr der Gustav-Adolf-Kirchengemeinde (Ausgabe 239) veröffentlicht. 

Anmerkung vorab: Der nachfolgende Text ist eine Zusammenfassung des langen Artikels von Christoph Bergner, der sich allerdings zu lesen lohnt! Eigentlich müsste deshalb hier an vielen Stellen der Konjunktiv verwendet werden. Um der besseren Lesbarkeit willen – und weil Bergners Ausführungen sich mit meinen Erfahrungen decken –, gebe ich die Überlegungen des Pfarrers im Indikativ wieder. 

Eine scharfe Analyse von Pfarrer i.R. Dr. Christoph Bergner

Die Evangelische Kirche steckt in einer tiefen Krise. Doch statt die Ursachen zu beheben, bewirken die laufenden Reformen das Gegenteil: Sie führen zu einem Verlust der Nähe zur Kirchenbasis und den Mitgliedern. Dr. Christoph Bergner, langjähriger Synodaler und Kenner der kirchlichen Finanzen, kritisiert in einem aktuellen Beitrag scharf, dass die Kirchenleitungen die Gemeinden vor Ort systematisch entwerten und entrechten zugunsten der zentralen Verwaltung.

1. Die Gemeinde wird zur "Filiale" degradiert

Die Reformen verfolgen eine zentrale Logik: Die Kirchenleitung muss die Kontrolle behalten, um Strukturveränderungen schnell durchsetzen zu können. Das geschieht auf Kosten der Selbstständigkeit der Gemeinden:

Entzug von Mitteln: Es ist das erklärte Ziel, möglichst viele finanzielle Mittel auf der Ebene der Gesamtkirche zu behalten. Dadurch fehlt den Kirchengemeinden die finanzielle Ausstattung, um eigenständig über Projekte, Personal oder die Gestaltung ihres Gemeindelebens zu entscheiden.

Abbau von Personal: Folgerichtig lässt die Kirchenleitung kaum noch Personal direkt auf Gemeindeebene zu. Stellen werden gestrichen, Gemeindepfarrstellen können nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung gestellt werden. Die Gemeinde wird abhängig von zentral gesteuerten Ressourcen.

Die bittere Folge: Die lebendige Kirchengemeinde vor Ort wird zu einer "Filiale" degradiert, die von der Kirchenleitung mit begrenzten Mitteln und Personal verwaltet wird – aber nicht mehr selbstbestimmt agiert.

2. Der Gottesdienst wird zur "Synergie"

Auch die Kernaufgaben der Kirche werden der Effizienz untergeordnet:

Der Pastor als Manager: Der Pfarrberuf wird systematisch entwertet. Pfarrer sollen heute in erster Linie Manager, Pädagogen und Psychologen sein – oft ohne ausreichende Ausbildung. Pastorale Kernaufgaben wie Gottesdienst, Seelsorge und Unterricht werden durch Kennzahlen und Effizienzvorgaben ersetzt.

Gestrichene Gottesdienste: Um "Synergieeffekte" zu erzielen, werden aufwendige Pläne für ständig wechselnde Gottesdienstorte und -zeiten entwickelt. Dies führt zum Ausfall von Gottesdiensten und macht es den Gemeindegliedern unnötig schwer, überhaupt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Die Kette der Entwertung: Die Kirchenverwaltung setzt ihre eigenen Pläne über die Bedürfnisse der Menschen. Die Kirche wird zu einem Unternehmen, das sich selbst optimiert, während sie ihren geistlichen Auftrag verliert.

3. Versagen der Verwaltung und fehlende Kontrolle

Bergner kritisiert, dass die angestrebte "moderne, effiziente Verwaltung" gescheitert ist.

Ineffizienz: Trotz aller Reformen sind Kirchenverwaltungen mit sich selbst überfordert. Es fehlen teils seit Jahren Haushaltsabschlüsse / Bilanzen, und Kontrollmechanismen haben versagt. Die Reformen haben keine Einsparungen gebracht, sondern lediglich Mittel von unten nach oben umgeschichtet – Verlierer sind die Gemeinden.

Die Synode ist machtlos: Die Synodalen (Kirchenparlamentarier) können der Dominanz der Verwaltung oft nichts entgegensetzen, weil zu komplexe Vorlagen in zu kurzer Zeit behandelt werden müssen. Die Verwaltung hat die Informationshoheit und kontrolliert die Debatte.

Meine Kommentare zum Artikel


Synode

Ich habe mir mal ein paar Gedanken gemacht, wie Entscheidungen in den evangelischen Kirchenparlamenten, in den Synoden, eigentlich zustande kommen. Vor Augen habe ich da in erste Linie die Gremien auf der Kirchenkreis- bzw. Dekanatsebene. Ich vermute aber, dass es auf der landeskirchlichen Ebene nicht anders aussieht. 

Formal sind die Synoden das gesetzgebende und haushaltsführende Organ der Kirche und sollen die demokratische Legitimation durch eine breite Vertretung von Laien sichern. In der Praxis kollidiert dieser hohe Anspruch jedoch mit den realen Bedingungen ehrenamtlicher und teilzeitlicher Arbeit. Das Dilemma könnte man so beschreiben: Wenn Ehrenamt auf Verwaltung trifft. Ich fasse die Probleme des kirchlichen Parlamentarismus aus meiner Sicht zusammen: 

1. Die Erosion der Kontrollfunktion: Die Synoden tagen nur wenige Male im Jahr. Obwohl ihnen komplexe Gesetzes- und Haushaltsentwürfe zugestellt werden, ist die fehlende Lese- und Einarbeitungszeit der ehrenamtlichen Synodalen – ein Ausdruck des Spannungsfelds zwischen Ehrenamt und Hauptberuf – ein Dauerproblem. 

2. Die Machtlücke zur Kirchenleitung und -verwaltung: Die Schwäche des Ehrenamts wird dadurch verschärft, dass selbst viele Pfarrpersonen die juristischen und ökonomischen Details der Kirchenverwaltung nicht durchdringen. Dies schafft eine asymmetrische Informations- und Machtverteilung zugunsten der Kirchenleitung und -verwaltung. Die hauptamtlichen Strukturen (Finanzabteilungen, Rechtsdezernate) werden so zum faktischen Souverän der Kirche. Ihnen fehlt ein qualifizierter Gegenpart im Parlament, der die Vorlagen kritisch prüft, eigene Alternativen entwickelt und die Verwaltung wirksam kontrolliert. 

3. Die fehlende parteipolitische Bündelung: Anders als politische Parlamente, in denen Parteien und Fraktionen die unterschiedlichen Interessen professionell bündeln, um Handlungsfähigkeit zu garantieren, fehlt den Synoden diese organisatorische Disziplin. Die Synodalen agieren oft als isolierte Einzelakteure. Dies verhindert die Bildung stabiler thematischer Blöcke und erschwert die kollektive Willensbildung, was die Zersplitterung der Entscheidungsfindung weiter verstärkt. 

Zusammenfassend halte ich fest: Die kirchlichen Synoden laufen Gefahr, zu symbolischen Akklamationsgremien zu verkommen. Das demokratische Ideal der Synodalität wird durch das Fehlen professioneller Organisation und die Informationshoheit der Kirchenleitung und -verwaltung entwertet. Um die Funktionsfähigkeit und die Legitimation ihrer Kirchenparlamente zu sichern, müssten Wege gefunden werden, um die ehrenamtliche Kontrolle personell und strukturell zu stärken.

Machtmissbrauch auf leitender Ebene

Die Passage über die Aussage einer Dekanin/Superintendentin habe ich mal mit den Augen eines Vorstandsmitglieds im Verein “D.A.V.I.D. - gegen Mobbing in der Evangelischen Kirche” gelesen. Es ging um die Zusammenlegung von Gottesdiensten, bei der eine Pfarrerin nicht mitmachen wollte. Bergner schreibt dann: “Die Dekanin/Superintendentin wies sie mit den Worten zurecht, dass auch in ländlichen Teilen des Dekanats/der Superintendentur noch Verwendung für die resistente Kollegin bestünde.” 

Gut, diese Aussage wird man in diesem Kontext nicht eindeutig als Mobbing im rechtlichen oder psychologischen Sinne einordnen, aber sie erfüllt eindeutig Merkmale von autoritärem und respektlosem Führungsverhalten oder verbaler Aggression. Eine solche Aussage ist höchst problematisch und liegt im Grenzbereich unethischen Verhaltens. 

Die Zurechtweisung findet in einer kollegialen Runde statt. Dies ist eine Form der öffentlichen Bloßstellung und der Herabwürdigung der Kollegin. Die Dekanin/Superintendentin verwendet den Begriff "resistent" bewusst abwertend. Sie unterstellt damit der Pfarrerin Starrsinn, Unwilligkeit zur Kooperation und eine persönliche Abwehrhaltung gegenüber notwendigen Strukturveränderungen. Die Vorgesetzte greift die berufliche Integrität der Pfarrerin an. Der Satz, "dass auch in ländlichen Teilen ... noch Verwendung für die resistente Kollegin bestünde", muss als latente Drohung mit einer Zwangsversetzung oder Abwertung interpretiert werden. Er impliziert: "Wenn du dich nicht anpasst, können wir dich in einen weniger attraktiven, ländlichen Bereich abschieben." Es entwertet die bisherige Arbeit und die Person selbst (Verwendung wie ein Objekt). 

Als Fazit kann man nur festhalten: Die Aussage der Dekanin/Superintendentin ist ein Beispiel für einen Missbrauch von Autorität und unangemessenen Umgang mit berechtigtem Widerstand gegen unpopuläre Entscheidungen. Sie erfüllt die Kriterien für eine einzelne, aggressive Handlung (im Sinne einer Bossing-Aktion, da die Handlung von einer Vorgesetzten ausgeht). Sie signalisiert ein feindseliges Arbeitsklima, in dem kritische Stimmen nicht auf sachlicher Ebene, sondern durch persönliche Angriffe und autoritäre Machtdemonstration unterdrückt werden. 

Wenn so etwas in der Öffentlichkeit thematisiert wird - und es sollte thematisiert werden, weil ein solches Verhalten einer kirchenleitenden Person unwürdig ist, aber leider von anderen Kollegen auch erlebt wird - wenn dies thematisiert wird, müssen wir uns nicht wundern, wenn gerade engagierte Kirchenglieder der Kirche den Rücken kehren und Jugendliche, die durchaus das Zeug zum Pfarrberuf hätten, lieber in anderen Arbeitsfeldern aktiv werden.