Auf dem Weg zum Reformationsjahr 2017
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Einleitung
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| Martin Luther (1) |
* 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld;
† 18. Februar 1546 ebenda mit 62 Jahren.
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| Luthers Eltern (2) |
Hans Luther (1459–1530 Margarethe Luther, geb. Lindemann (1459–1531)
Dass "Luthers Eltern kirchentreu, jedoch nicht übermäßig fromm" waren, kann man bei Wikipedia nachlesen, Insgesamt habe ich - ohne dass das im Folgenden immer vermerkt wird - den Artikel im Onlinelexikon für Informationen zum Leben des Reformators herangezogen.
Brüder vom gemeinsamen Leben
Devotio moderna
Universität
| Das Collegium Maius, ehemaliger Sitz der 1392 gegründeten Universität in Erfurt (3) |
Scholastische Methode
Argumentationsstruktur
Ob das nachfolgend gewählte Beispiel die Scholastische Methode treffend beschreibt, kann ich nicht sagen. Deutlich wird aber die systematische Vorgehens- und Denkweise.
Syllogismus (4) |
Dass man sich bei diesem Verfahren vor Trugschlüssen hüten musste, macht das nachfolgende Beispiel deutlich:
Im Frühjahr kehren die Störche nach Europa zurück.
Im Frühjahr steigt in Europa die Geburtenzahl.
Fehlschluss: Die Rückkehr der Störche verursacht eine Steigerung der Geburtenzahl.
(vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Fehlschluss#Klapperstorch)
Die scholastische Lehre vertraute der Methode der Deduktion. Dabei wurden Schlüsse vom Allgemeinen auf das Besondere gezogen, wobei die Richtigkeit der Voraussetzungen, die sich in der Vergangenheit bewährt hatten, nicht in Zweifel gezogen wurde. Die deduktiven Ergebnisse der Scholastik hafteten an deren Prämissen und ließen so keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse zu, was auf die Kritik konservativer Antidialektiker, der Humanisten und der Vordenker der neuzeitlichen Naturwissenschaften stieß.
Erst der wissenschaftliche Ansatz der frühen Neuzeit, der sich nicht allein auf die Deduktion verließ, wonach "Beobachtungen so zu deuten (waren), dass man sie mit vorgegebenen Prinzipien und deren Konsequenzen vereinbaren" konnte, läutete das Ende der Scholastik ein. Der Deduktion stellte man die Induktion als wissenschaftliche Methode gleichberechtigt zur Seite, so dass empirisch Erfahrungswissen zur Urteilsfindung herangezogen wurde.
| Deduktion und Induktion (5) |
zu den beiden vorangegangenen Abschnitten vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Scholastik; https://de.wikipedia.org/wiki/Syllogismus; https://de.wikipedia.org/wiki/Deduktion
Jurisprudenz
Kanonisches Recht
Luther tritt bei den Augustiner-Eremiten ein
Weil sie im Ruf standen, ihren Glaubens besonders streng zu leben, trat Luther am 17. Juli 1505 in das Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt ein. Relativ schnell wurde er knapp zwei Jahre später zum Diakon (27. Februar 1507) und nach noch nicht einmal zwei weiteren Monaten zum Priester (4. April 1507) geweiht.
Die Frage „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ quälte Luther geradezu. Deshalb hielt er sich genau und streng an die Ordensregeln und unterzog sich täglich den Bußübungen. Trotzdem blieben die Gewissensnöte. Da Luther bei sich selbst merkte, dass seine Haltung Gott gegenüber nicht durch "aufrichtige Reue aus Liebe" bestimmt war, sondern durch "Angst vor der Bestrafung", konnte er sich - so verstand er die gängige Lehrmeinung seiner Kirche - der Vergebung nie gewiss sein. Damit stürzte Luther in eine "verzweifelte Heilsungewissheit" darüber, ob er die Voraussetzung zur Vergebung seiner Sünden erfüllen könne oder ob nicht eine ungültige Absolution ewige Verdammnis nach sich ziehen würde.
Im Vorwort zur Gesamtausgabe seiner Schriften aus dem Jahr 1545 beschreibt Luther im Rückblick, wie er diese Zeit erlebte. Bezugnehmend auf den Bibelvers Römer 1,17 »Die Gerechtigkeit Gottes wird im Evangelium offenbart« heißt es bei Luther: "Ich hatte ... dieses Wort "Gerechtigkeit Gottes" zu hassen gelernt, das ich nach dem allgemeinen Wortgebrauch aller Doktoren philosophisch als die sogenannte formale oder aktive Gerechtigkeit zu verstehen gelernt hatte, mit der Gott gerecht ist, nach der er Sünder und Ungerechte straft." (zitiert nach dem Dokument der Universität Duisburg-Essen, Institut für Evangelische Theologie https://www.uni-due.de/~gev020/courses/course-stuff/luther-roem1.htm)
Ablass
Nach Auffassung von Luthers Lehrer Johann von Paltz (ca. 1445-1511), der sich an die allgemein gültige Lehre der damaligen Zeit anschließt und dies in seiner Schrift "Die himmlische Fundgrube" 1502 festgehalten hat, besitzt die Kirche im wesentlichen vier Schätze, aus denen der Ablass hervorgeht:
- Das überreichliche Verdienst des Leidens Christi, das wegen seiner Göttlichkeit, und das heißt: wegen seiner Unendlichkeit, zur Erlösung unbegrenzt vieler Menschen ausreichen würde ...
- Das überreichliche Leiden der allerheiligsten Gottesmutter Maria, die, ohne selbst eine lässliche oder gar eine Todsünde begangen zu haben, zur Zeit des Leidens Christi und auch sonst viele Schmerzen ertragen hat.
- Der von den allerheiligsten Märtyrern erworbene Schatz, deren Blut und Leiden, wie man sagt, mehr Verdienste erworben hat, als für sie selbst zum Heil nötig gewesen wäre ...
- Der von den allerheiligsten Bekennern erworbene Schatz, deren Verdienste so erhaben waren, dass auch weit geringere zu ihrem eigenen Heil ausgereicht hätten.
Nach diesen Ausführungen kann Paltz dann feststellen: "Aufgrund dieses Schatzes, den man auch als Buße bezeichnen kann, die ein anderer leistet, kann nun die Kirche aus der Fülle ihrer Macht im Einklang mit der Gerechtigkeit Gottes die Strafe durch den Ablass vergeben." (vgl. zu Paltz insgesamt Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen [KThGQ] Band II S. 240f)
Ablasshandel
"Obwohl nichts dafür gegeben werden könnte, was würdig genug wäre, eine solche Gnade (des Ablasses) zu verdienen, da Gottes Gabe und Gnade jede Berechnung übersteigt", schreibt ungefähr im Jahr 1517 Albrecht von Brandenburg (1490-1545), Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt (seit 1513), Erzbischof und Kurfürst von Mainz (seit 1514), "setzen wir doch folgenderweise die Ordnung fest:
Ein jeder, der im Herzen zerknirscht ist und mit dem Munde gebeichtet hat, oder die aufrichtige Intention hat, zu gehöriger Zeit zu beichten, soll wenigstens sieben Kirchen besuchen, die hierfür bestimmt sind, nämlich in denen die Wappen des Papstes aufgehängt sind; und in jeder Kirche soll er andächtig fünfmal das Vaterunser und fünfmal das Ave Maria beten zu Ehren der fünf Wunden unseres Herrn Jesus Christus, durch den unsere Erlösung geschehen ist, oder einmal das Miserere (Ps 51 Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit. [Vers 1]) ..."
Entsprechend dem Vermögen und Einkommen derjenigen, die den Ablass begehren, setzt Albrecht dann quasi eine Gebührenordnung für den Ablass fest:
- Könige und Königinnen sowie ihre Kinder, die Erzbischöfe und Bischöfe sowie andere große Fürsten - mindestens 25 rheinische Goldgulden
- Äbte und großen Prälaten der Kathedralkirchen, Grafen, Barone und andere mächtige Edelleute und ihre Frauen - 10 rheinische Goldgulden
- Andere Prälaten und kleinere Edelleute, wie auch die Rektoren berühmter Orte, und alle anderen, die … im Jahr 500 Goldgulden Einkommen haben - 6 rheinische Goldgulden
- Andere Bürger und Kaufleute, die durchschnittlich 200 Goldgulden einnehmen - 3 rheinische Goldgulden
- Andere Bürger, Kauf- und Handwerksleute, die eigene Einkünfte und Familie haben - 1 rheinischen Gulden
- Andere kleinere Leute - 1/2 rheinischen Gulden
- Diejenigen, die kein Vermögen haben, sollen mit Gebet und Fasten ihren Beitrag ergänzen; denn das Himmelreich darf den Reichen nicht mehr als den Armen offenstehen
(vgl. zu Albrecht von Brandenburg KThGQ Band III S. 12ff)
Fegefeuer
Damit wird deutlich, dass das Fegefeuer mit der Vorstellung der Hölle als Ort der ewigen Verdammnis nichts zu tun hat. Die Qual der "armen Seelen" im Fegefeuer besteht darin, dass sie zwar die Gegenwart und Liebe Gottes spüren, dass sie sich aber aufgrund ihrer Sünden sich dessen nicht würdig führen. Allerdings dürfen sie sich der Rettung sicher sein. Sie werden das Fegefeuer verlassen, um in den Himmel aufgenommen zu werden. Dabei können Gebete der Lebenden helfen, diese Zeit zu verkürzen.
Diese an sich tröstlichen Gedanken dürften durch die zur Zeit Luthers propagierten Vorstellungen konterkariert worden sein. Die zeitgenössischen Darstellungen müssen den Gläubigen den Eindruck fürchterlicher Qualen im Fegefeuer vermittelt haben.
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| Fegefeuer-Darstellung von 1519 in der Predella des Hochaltars der Bad Wimpfener Stadtkirche (6) |
Zu solch bildlichen Darstellungen kamen die Ausführungen der kirchlichen Vertreter. Dabei nahmen die Ablassprediger gezielt die Verstorbenen in den Blick, für die die Lebenden einen Ablass erwerben sollten. Das war sehr einfach, weil es nach Auffassung Albrechts von Brandenburgs dazu nicht nötig war, "dass die Personen, die für die Seelen (Geld) in den Kasten legen, im Herzen zerknirscht sind und mit dem Munde gebeichtet haben" (a.a.O.). Schriftlich festgehalten sind dann diese Formulierungen: "Hört ihr nicht die Stimme eurer toten Eltern und anderer Leute, die da schreien und sagen: »’Erbarmt, erbarmt euch doch meiner, weil die Hand Gottes mich berührt hat’ [Hi 19,21]. Wir sind in schweren Strafen und Pein, wovon ihr uns mit wenig Almosen erretten könntet, und doch nicht wollt.« Tut die Ohren auf, weil der Vater zu dem Sohn, die Mutter zu der Tochter schreit: ... »Wir haben euch gezeugt, ernährt, erzogen und euch unser zeitliches Gut überlassen; und ihr seid so grausam und hart, dass ihr, wo ihr uns doch jetzt mit leichter Mühe erretten könntet, es nicht wollt und uns in Flammen wälzen lasst, dass wir so langsam zur verheißenen Herrlichkeit kommen.«" (KThGQ Band III S. 16)
Ablasspraxis in Wittenberg: Der Reliquienschatz der Schloßkirche
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| Sandalen Jesu, Abtei Prüm (Eifel) (7) |
Luthers Landesherr Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1486-1525) hatte im Lauf der Jahre in seiner Schlosskapelle zu Wittenberg eine große und auserlesene Sammlung von Reliquien zusammengetragen. Die fromme Betrachtung und Anbetung dieser Reliquien bot reichlich Gelegenheit für einen Ablass. Im Blick auf Jesus werden folgende Reliquien aufgezählt:
- Von der Stelle, wo der Herr Jesus geboren ist, vier Partikel;
- von den Tüchlein, darin er gewickelt war, eine Partikel;
- von der Krippe Jesu dreizehn Partikel;
- von der Wiege eine Partikel;
- vom Heu zwei Partikel;
- vom Stroh, darauf der Herr, als er geboren war, gelegt wurde, eine Partikel;
- vom Gold eine Partikel;
- von der Myrrhe, die die heiligen drei Könige dem Herrn geopfert haben, eine Partikel;
- von der Stelle, wo der Herr Jesus beschnitten wurde, eine Partikel.
Insgesamt 25 Partikel
Am Ende des "Reliquienkataloges" kann dann festgestellt werden:
Summe aller Partikel: 5005. Für jede Partikel 100 Tage Ablaß. Es sind acht Gänge. Jeder Gang hat noch einmal 100 Tage und einen vierzigtägigen Ablaß. - Selig sind, die daran teilhaben.
vgl. KThGQ Band III S. 17
Die Frage nach der Bedeutung der päpstlichen Macht, zu allen Zeiten virulent, war in den beiden Jahrhunderten vor der Reformation immer wieder aufgeworfen worden. Mit der Bulle "Unam Sanctam" erhebt Bonifatius VIII. 1302 den Anspruch, dass die geistliche Macht über die weltliche Gewalt Recht sprechen solle, wobei sie selbst nur Gott verpflichtet sei. „So erklären wir denn, daß alle menschliche Kreatur bei Verlust ihrer Seelen Seligkeit untertan sein muß dem Papst in Rom, und sagen es ihr und bestimmen es.“ Als Begründung wird Mt 16,19 herangezogen, wo Jesus Petrus zusagt: "Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein. " (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Unam_Sanctam und https://de.wikipedia.org/wiki/Papstprimat)
Auf dem Konzil von Konstanz 1415 wurde zwar die Feststellung getroffen, dass das Konzil über dem Papst stehe, jedoch bekräftigte Leo X auf dem fünften Laterankonzil 1516 den Primatanspruch des römischen Pontifex, "der die Autorität über alle Konzilien besitzt …“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Papstprimat) Ferner wird festgehalten: "Da es heilsnotwendig ist, dass alle Christen dem römischen Papst unterstehen, wie wir aus dem Zeugnis der göttlichen Schrift und der heiligen Väter belehrt werden, wie auch aus der Konstitution unseres Vorgängers Bonifaz VIII. [1294-1303], seligen Andenkens, die beginnt: »Unam sanctam«, hervorgeht, erneuern und bestätigen wir unter Billigung des anwesenden heiligen Konzils eben diese Konstitution zum Heil jener gläubigen Seelen und zugunsten der höchsten Autorität des römischen Papstes und dieses heiligen Stuhles ..." (KThGQ Band III S. 8)
Da dieses Konzil aber praktisch nur von Italienern und Kurienkardinälen besucht war, wurde die Allgemeingültigkeit der Aussagen hinterfragt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Papstprimat)
Am 18. Juli 1870 auf dem 1. Vatikanischen Konzil wurde dann mit dem Dokument Pastor Aeternus (Ewiger Hirte) als Glaubenssatz verkündet, "dass der Papst Inhaber der obersten Befehlsgewalt (Jurisdiktionsgewalt) in der katholischen Kirche und damit verbunden bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenfragen unfehlbar sei". (https://de.wikipedia.org/wiki/Pastor_Aeternus)
Im Jahr 1510 oder auch erst im Spätsommer 1511 zog Luther in Ordensangelegenheiten mit einem Mitbruder nach Rom. ... Er wollte diese Reise offensichtlich auch als persönliche Pilgerreise nutzen und legte so seine dritte Generalbeichte ab. Auf der „Heilige Treppe“ am Lateran betete er um Sündenvergebung für sich und seine verstorbenen Verwandten im Fegefeuer, ganz im Sinn der römischen Buß- und Ablasspraxis. Allerdings war Luther entsetzt über den Unernst und Sittenverfall, die ihm in Rom begegneten.
Da Luther diese Reise in späteren Schriften und Reden immer wieder erwähnt, muss sie zu den Schlüsselerlebnissen seines Lebens gezählt werden. [vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther#Romreise]
Die zeitliche Einordnung, wann Luther das Prinzip der Gerechtigkeit Gottes sola gratia (allein aus Gnade) entdeckte, ist in der Forschung umstritten. Manche Forscher nehmen dafür die Jahre 1511 bis 1513 in den Blick, andere meinen. der Durchbruch sei um 1515 oder um 1518 geschehen. Schließlich ist eine allmähliche Entwicklung der reformatorischen Wende nicht auszuschließen.
Unstrittig ist, dass Luther sich in seiner Entdeckung auf den Bibelvers Röm 1,17 bezog: "Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus dem Glauben kommt und zum Glauben führt; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben. (Hab 2,4)" Ein weiterer bedeutender Bibelvers ist Röm 3,28: "So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben."
Im Frühjahr 1545 erschien noch zu Luthers Lebzeiten eine Gesamtausgabe seiner Schriften. In der Vorrede für den ersten Band der lateinischen Schriften kam Luther auf seine Entdeckung der "Gerechtigkeit Gottes" zu sprechen: "... Ich war von einer wundersamen Leidenschaft gepackt worden, Paulus in seinem Römerbrief kennenzulernen, aber bis dahin hatte mir nicht die Kälte meines Herzens, sondern ein einziges Wort im Wege gestanden, das im ersten Kapitel steht: »Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm [= Evangelium] offenbart« [Röm 1,17]. Ich hatte nämlich dieses Wort >Gerechtigkeit Gottes< zu hassen gelernt, das ich nach dem allgemeinen Wortgebrauch aller Doktoren philosophisch als die sogenannte formale oder aktive Gerechtigkeit zu verstehen gelernt hatte, mit der Gott gerecht ist, nach der er Sünder und Ungerechte straft.
Ich aber, der ich trotz meines untadeligen Lebens als Mönch, mich vor Gott als Sünder mit durch und durch unruhigem Gewissen fühlte und auch nicht darauf vertrauen konnte, ich sei durch meine Genugtuung mit Gott versöhnt: ich liebte nicht, ja, ich hasste diesen gerechten Gott, der Sünder straft; wenn nicht mit ausgesprochener Blasphemie, so doch gewiss mit einem ungeheuren Murren war ich empört gegen Gott und sagte: »Soll es noch nicht genug sein, dass die elenden Sünder, die ewig durch die Erbsünde Verlorenen, durch den Dekalog mit allerhand Unheil bedrückt sind? Muss denn Gott durch das Evangelium den Schmerzen noch Schmerzen hinzufügen und uns durch das Evangelium zusätzlich seine Gerechtigkeit und seinen Zorn androhen?« So raste ich in meinem wütenden, durch und durch verwirrten Gewissen und klopfte unverschämt [Lk 11,5-10] bei Paulus an dieser Stelle an, mit heißestem Durst zu wissen, was St. Paulus damit sagen will.
Endlich achtete ich in Tag und Nacht währendem Nachsinnen durch Gottes Erbarmen auf die Verbindung der Worte, nämlich -. »Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm offenbart, wie geschrieben steht [Hab 1,4], >Der Gerechte lebt aus dem Glauben<. « Da habe ich angefangen, die Gerechtigkeit Gottes so zu begreifen, dass der Gerechte durch sie als durch Gottes Geschenk lebt, nämlich aus Glauben; ich begriff, dass dies der Sinn ist: offenbart wird durch das Evangelium die Gerechtigkeit Gottes, nämlich die passive, durch die uns Gott, der Barmherzige, durch den Glauben rechtfertigt, wie geschrieben steht: »Der Gerechte lebt aus dem Glauben«. (zitiert nach: Universität Duisburg-Essen, Institut für Evangelische Theologie https://www.uni-due.de/~gev020/courses/course-stuff/luther-roem1.htm; Absätze von mir eingefügt)
Angesichts dieser Formulierungen ist eine allmähliche Entwicklung in der reformatorischen Wende nicht unwahrscheinlich. Dafür spricht auch, dass Luther keinen systematischen Gesamtentwurf seiner Theologie vorlegte, sondern in seinen Schriften durchaus auch zu aktuell anstehenden Fragen theologisch Stellung bezog. Dabei sind Fortschreibungen in Einzelfragen durchaus zu beobachten.
Im Folgenden will ich mit ausgewählten Schriften Luthers Zeugnisse zur Reformatorischen Wende zu belegen.
Bereits bei der Bezirkssynode des Bistums Brandenburg im Juni 1512 (21. Mai 1519) entwickelte Luther sein Grundprogramm einer Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern und lenkte den Blick auf das Studium der Heiligen Schrift.
"Ihr könnt auf dieser ehrwürdigen Synode noch soviel beschließen und erlassen, das einzig Wichtige aber ist, den Priestern, doch die Lehrer des Volkes, zu gebieten, von den frei erfundenen Fabeln abzulassen. Ihre Sache ist das reine Evangelium und seine heiligen Ausleger. Sie sollten dem Volk gewissenhaft das Wort der Wahrheit verkündigen, endlich auch alle Menschenlehren unterlassen oder wenigstens ihren Unterschied zum Worte Gottes hervorheben." KThGQ Band III
In Luthers Ausführungen zu Ps 51,6f. (An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan, auf dass du Recht behaltest in deinen Worten und rein dastehst, wenn du richtest. Siehe, ich bin als Sünder geboren, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen.) liest man einerseits von der Selbstverdammung des Christen, andererseits darf der "Glaubende" darauf vertrauen, dass Gott seinen einmal geschlossenen Bund hält.
"Daher wird [Gott] von niemand anderem als gerecht erwiesen als von dem, der sich selbst anklagt, verdammt und richtet. Der Gerechte nämlich ist zuallererst Ankläger, Verdammer und Richter seiner selbst. Und deshalb erweist er Gott als gerecht und lässt ihn siegen und überwinden. Dagegen ist der Gottlose und Übermütige zuerst einer, der sich entschuldigt, verteidigt, rechtfertigt und zu retten sucht. Daher sagt er eben damit, er bedürfe Gottes als Retter nicht und richtet Gott in seinen Worten und macht ihn ungerecht und klagt ihn als Lügner und Falschredner an. ...
Ja auch Glaube und Gnade, durch die wir heute gerechtfertigt werden, würden uns von sich aus nicht rechtfertigen, wenn es nicht der Bund Gottes täte. Eben deshalb nämlich werden wir selig, weil er einen Bund und Pakt [testamentum et pactum] mit uns gemacht hat, dass »wer da glaubet und getauft wird, selig wird« [Mk 16,16]. In diesem Bunde aber ist Gott wahrhaftig und treu und hält, was er versprochen hat. Daher ist es wahr, dass wir vor ihm immer in Sünden sind, so dass er selbst - nämlich durch seinen Pakt und Bund, den er mit uns geschlossen hat -‚ der ist, der gerecht macht."
Diesen Gedanken, dass es bei der Rechtfertigung allein auf Gott ankommt, führt Luther in seinen Scholien zu Ps 115,1 (Nicht uns, HERR, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre um deiner Gnade und Treue willen!) mit einem durchaus eigenwilligen Beispiel weiter. "... Daher beruht die Tatsache, dass Gott sich zu unserem Schuldner gemacht hat, auf der Verheißung ... dessen, der sich erbarmt, und nicht auf der Würdigkeit der menschlichen Natur, die Verdienste erwirbt. Denn nichts hat er gefordert außer der Vorbereitung, dass wir für seine Gnade aufnahmefähig sind...; gleichwie ein Fürst oder König des Landes seinem Räuber oder einem Mörder hundert Gulden versprechen würde und nur forderte, dass dieser zum festgesetzten Zeitpunkt und Ort ihn empfangsbereit erwarte. So ist klar, dass jener König aufgrund seines freiwilligen Versprechens ... und seiner Huld ... Schuldner ist ohne das Verdienst des Räubers bzw. Mörders und dass er auch nicht wegen dessen Schuld verweigert, was er versprochen hat. So verhält es sich auch mit der geistlichen Ankunft [adventus] durch Gnade und der endzeitlichen Ankunft in Herrlichkeit, weil sie nicht aufgrund unserer Verdienste, sondern allein aufgrund der Verheißung des barmherzigen Gottes geschehen. Gott hat nämlich für die geistliche Ankunft diese Verheißung gegeben: »Bittet, so werdet ihr empfangen, suchet, so werdet, klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn jeder, der bittet, empfängt« [Mt 7,7f.].
Daher sagen die Gelehrten ... mit Recht, dass Gott dem Menschen, der tut, was in seinen Kräften steht, unfehlbar die Gnade gibt ..., und dass der Mensch sich zwar nicht in voller Würdigkeit auf die Gnade vorbereiten kann, weil sie jeden Maßstab übersteigt, wohl aber in billiger Angemessenheit ..., eben wegen dieser Verheißung Gottes und des Bundes der Barmherzigkeit. ...
Ein Schlagwort in Luthers Theologie ist die Verbindung von "Gesetz und Evangelium". Das Gesetz "tötet", "verurteilt" den Menschen, das Evangelium rettet ihn. In dieser Auffassung spiegelt sich auch Luthers Biografie, der wegen des Gesetzes zunächst Gott hasste, um ihn dann nach der reformatorischen Wende umso mehr zu lieben: Unter diesem Gesichtspunkt dürften auch die nachfolgenden Formulierungen zu verstehen sein: "Die Summe dieses Briefes ist: alle Weisheit und Gerechtigkeit des Fleisches ... zu zerstören, auszureißen und zu vernichten (d.h. wie groß sie auch in den Augen der Menschen und vor uns selbst sein mag ...), wie sehr sie auch von Herzen und aufrichtigen Sinnes geübt werden mag; und die Sünde einzupflanzen, aufzurichten und großzumachen (sowenig sie auch vorhanden sein mag bzw. vorhanden zu sein vermutet wurde) ...
Gott will uns nicht durch eigene, sondern durch fremde Gerechtigkeit und Weisheit ... retten, durch eine Gerechtigkeit, die nicht aus uns kommt und geboren wird, sondern die von anderswoher in uns hereinkommt; die nicht unserer Erde entspringt, sondern die vom Himmel kommt [Ps 85,12]. ..."
Neben den Gedanken zum Stichwort "Gesetz und Evangelium" und zur "Fremden Gerechtigkeit" ist für Luther auch die Formulierung "Gerechter und Sünder zugleich - simul justus et peccator" existenziell wichtig. Dazu schreibt er: "Die Heiligen sind inwendig [intrinsece - in den eigenen Augen (!)] immer Sünder; darum werden sie immer außerhalb ihrer selbst [extrinsece - in den Augen Gottes (!)] gerechtfertigt. Die Heuchler aber sind inwendig immer gerecht, darum sind sie außerhalb ihrer selbst immer Sünder." ... "Sein Anrechnen liegt nämlich nicht in uns, auch nicht in unserer Macht. Also liegt auch unsere Gerechtigkeit nicht in uns, auch nicht in unserer Macht, wie Hosea sagt [13,9]: »Du bringst dich ins Unglück, Israel; denn dein Heil steht allein bei mir« (d.h. in dir ist nichts denn Verderben, dein Heil ist außer dir).
»Wundersam ist Gott in seinen Heiligen« [Ps 68,36], vor dem sie zugleich Gerechte und Ungerechte sind [simul sunt iusti et iniusti]. ... Also sind sie in ihren eigenen Augen und in Wirklichkeit ungerecht, bei Gott aber, der sie um des Bekenntnisses ihrer Sünde willen als gerecht ansieht, sind sie gerecht. In Wirklichkeit sind sie Sünder, gerecht durch das gnädige Ansehen Gottes, der sich ihrer erbarmt. Über ihr Wissen hinaus sind sie gerecht, ihrem Wissen nach ungerecht; Sünder in Wirklichkeit, gerecht aber in Hoffnung [peccatores in re, iusti autem in spe]. ..."
Mit seinen neuen Theologischen Ansätzen stand Luther nicht allein. Sein Ordensbeichtvater Johann von Staupitz, der einen engen und persönlichen Kontakt zu Luther hatte und ihn durch die Berufung auf den Wittenberger Lehrstuhl förderte, dürfte ihm relativ schnell gefolgt sein. Andreas Karlstadt, selbst Professor in Wittenberg, schwenkte nach einigem Zögern auf Luthers Linie ein. Später kam es zum Bruch mit Luther, dessen Reformen Karlstadt nicht weit genug gingen. Als enger Weggefährte bis zum Schluss ist noch Philipp Melanchthon zu nennen, der seit 1518 an der Wittenberger Universität lehrte.
Nachdem Andreas Karlstadt seinen Angriff gegen die scholastische Theologie gerichtet hatte, unternahm im Herbst 1517 auch Luther solch einen Vorstoß. Seine Thesen sollten als Grundlage für eine Diskussion dienen. Die hier wiedergegebenen Thesen zielen gegen die scholastische Lehrmeinung, der Mensch könne aus freien Stücken sich dem Guten und damit auch Gott zuwenden.
5. Falsch ist, dass >das freie Streben [appetitus] sich nach jeder von zwei entgegengesetzten Richtungen bewegen kann<; vielmehr ist es gar nicht frei, sondern gefangen (gegen die allgemeine Meinung).
6. Falsch ist es, dass >der Wille sich aus seinen natürlichen Kräften [naturaliter] nach dem rechten Befehl [der Vernunft] richten könne; (gegen Scotus und Biel).
7. Sondern ohne die Gnade Gottes >bringt er notwendig einen Akt hervor, der damit nicht übereinstimmt und böse ist<. ...
10. [Einzig] das wird zugelassen, dass >der Wille nicht frei ist, sich allem Guten zuzuwenden, was ihm von der Vernunft gezeigt wird<; (gegen Scotus und Biel). ...
17. Nicht >kann der Mensch aus seinen natürlichen Kräften [naturaliter] wollen, daß Gott Gott ist<; vielmehr möchte er, er wäre Gott und Gott wäre nicht Gott.
18. >Aus natürlichen Kräften Gott über alles lieben< ist eine Formel mit genausoviel Wirklichkeitsbezug wie ein Wunschtraum (gegen die fast allgemeine Meinung).
98. Damit wollen wir nichts sagen, und wir glauben, auch nichts gesagt zu haben, was mit der katholischen Kirche und den Kirchenlehrern nicht übereinstimmen würde.
Die im Oktober 1517 veröffentlichten 95 Thesen gegen den Ablasshandel waren letztendlich der Anfang eines Prozess, der mit der Trennung von der römischen Kirche führte. Diese Trennung aber war nicht das Ziel des Reformators. Er wollte vielmehr seine "katholische", das heißt "allumfassende" Kirche an Haupt und Gliedern erneuern und das heißt reformieren. Da dieses Anliegen bei der römischen Kirchenleitung auf keine Gegenliebe stieß, kam es letztendlich zum Bruch.
In seinen 95 Thesen wandte sich Luther zunächst einmal lediglich gegen den Missbrauch des Ablasshandels, wie er ihn verstand. Ziel war es, dass den Gläubigen Gottes Vergebung auch ohne Gegenleistung zugesprochen werden sollte.
Ob diese Thesen tatsächlich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt wurden, lässt sich historisch nicht mehr belegen. Klar ist nur, dass sie sich - beflügelt durch das neue Medium des Buchdrucks - rasend schnell in Deutschland verbreiteten.
1: Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Buße“ u.s.w. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
2: Dieses Wort kann nicht von der Buße als Sakrament – d. h. von der Beichte und Genugtuung –, die durch das priesterliche Amt verwaltet wird, verstanden werden.
3: Es bezieht sich nicht nur auf eine innere Buße, ja eine solche wäre gar keine, wenn sie nicht nach außen mancherlei Werke zur Abtötung des Fleisches bewirkte.
4: Daher bleibt die Strafe, solange der Hass gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich.
7: Gott erlässt Strafen nur denjenigen, die sich dem Papst (Gottes Stellvertreter auf der Erde) unterwerfen.
35–40: Niemand kann Vergebung ohne Reue erhalten; aber wer wirklich bereut, hat Anspruch auf völlige Vergebung – auch ohne bezahlten Ablassbrief.
41–44: Das Kaufen der Ablassbriefe hat nichts mit Nächstenliebe zu tun, auch befreit es nur teilweise von der Strafe. Wichtiger sind gute Werke der Nächstenliebe wie Unterstützung für Arme oder Hilfsbedürftige.
zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/95_Thesen
Es heilsnotwendig ist, dass alle Christen dem römischen Papst unterstehen
| Papst Leo X (8) |
Auf dem Konzil von Konstanz 1415 wurde zwar die Feststellung getroffen, dass das Konzil über dem Papst stehe, jedoch bekräftigte Leo X auf dem fünften Laterankonzil 1516 den Primatanspruch des römischen Pontifex, "der die Autorität über alle Konzilien besitzt …“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Papstprimat) Ferner wird festgehalten: "Da es heilsnotwendig ist, dass alle Christen dem römischen Papst unterstehen, wie wir aus dem Zeugnis der göttlichen Schrift und der heiligen Väter belehrt werden, wie auch aus der Konstitution unseres Vorgängers Bonifaz VIII. [1294-1303], seligen Andenkens, die beginnt: »Unam sanctam«, hervorgeht, erneuern und bestätigen wir unter Billigung des anwesenden heiligen Konzils eben diese Konstitution zum Heil jener gläubigen Seelen und zugunsten der höchsten Autorität des römischen Papstes und dieses heiligen Stuhles ..." (KThGQ Band III S. 8)
Da dieses Konzil aber praktisch nur von Italienern und Kurienkardinälen besucht war, wurde die Allgemeingültigkeit der Aussagen hinterfragt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Papstprimat)
Am 18. Juli 1870 auf dem 1. Vatikanischen Konzil wurde dann mit dem Dokument Pastor Aeternus (Ewiger Hirte) als Glaubenssatz verkündet, "dass der Papst Inhaber der obersten Befehlsgewalt (Jurisdiktionsgewalt) in der katholischen Kirche und damit verbunden bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenfragen unfehlbar sei". (https://de.wikipedia.org/wiki/Pastor_Aeternus)
Romreise
Da Luther diese Reise in späteren Schriften und Reden immer wieder erwähnt, muss sie zu den Schlüsselerlebnissen seines Lebens gezählt werden. [vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther#Romreise]
Reformatorische Wende
Unstrittig ist, dass Luther sich in seiner Entdeckung auf den Bibelvers Röm 1,17 bezog: "Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus dem Glauben kommt und zum Glauben führt; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben. (Hab 2,4)" Ein weiterer bedeutender Bibelvers ist Röm 3,28: "So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben."
Im Frühjahr 1545 erschien noch zu Luthers Lebzeiten eine Gesamtausgabe seiner Schriften. In der Vorrede für den ersten Band der lateinischen Schriften kam Luther auf seine Entdeckung der "Gerechtigkeit Gottes" zu sprechen: "... Ich war von einer wundersamen Leidenschaft gepackt worden, Paulus in seinem Römerbrief kennenzulernen, aber bis dahin hatte mir nicht die Kälte meines Herzens, sondern ein einziges Wort im Wege gestanden, das im ersten Kapitel steht: »Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm [= Evangelium] offenbart« [Röm 1,17]. Ich hatte nämlich dieses Wort >Gerechtigkeit Gottes< zu hassen gelernt, das ich nach dem allgemeinen Wortgebrauch aller Doktoren philosophisch als die sogenannte formale oder aktive Gerechtigkeit zu verstehen gelernt hatte, mit der Gott gerecht ist, nach der er Sünder und Ungerechte straft.
Ich aber, der ich trotz meines untadeligen Lebens als Mönch, mich vor Gott als Sünder mit durch und durch unruhigem Gewissen fühlte und auch nicht darauf vertrauen konnte, ich sei durch meine Genugtuung mit Gott versöhnt: ich liebte nicht, ja, ich hasste diesen gerechten Gott, der Sünder straft; wenn nicht mit ausgesprochener Blasphemie, so doch gewiss mit einem ungeheuren Murren war ich empört gegen Gott und sagte: »Soll es noch nicht genug sein, dass die elenden Sünder, die ewig durch die Erbsünde Verlorenen, durch den Dekalog mit allerhand Unheil bedrückt sind? Muss denn Gott durch das Evangelium den Schmerzen noch Schmerzen hinzufügen und uns durch das Evangelium zusätzlich seine Gerechtigkeit und seinen Zorn androhen?« So raste ich in meinem wütenden, durch und durch verwirrten Gewissen und klopfte unverschämt [Lk 11,5-10] bei Paulus an dieser Stelle an, mit heißestem Durst zu wissen, was St. Paulus damit sagen will.
Endlich achtete ich in Tag und Nacht währendem Nachsinnen durch Gottes Erbarmen auf die Verbindung der Worte, nämlich -. »Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm offenbart, wie geschrieben steht [Hab 1,4], >Der Gerechte lebt aus dem Glauben<. « Da habe ich angefangen, die Gerechtigkeit Gottes so zu begreifen, dass der Gerechte durch sie als durch Gottes Geschenk lebt, nämlich aus Glauben; ich begriff, dass dies der Sinn ist: offenbart wird durch das Evangelium die Gerechtigkeit Gottes, nämlich die passive, durch die uns Gott, der Barmherzige, durch den Glauben rechtfertigt, wie geschrieben steht: »Der Gerechte lebt aus dem Glauben«. (zitiert nach: Universität Duisburg-Essen, Institut für Evangelische Theologie https://www.uni-due.de/~gev020/courses/course-stuff/luther-roem1.htm; Absätze von mir eingefügt)
Angesichts dieser Formulierungen ist eine allmähliche Entwicklung in der reformatorischen Wende nicht unwahrscheinlich. Dafür spricht auch, dass Luther keinen systematischen Gesamtentwurf seiner Theologie vorlegte, sondern in seinen Schriften durchaus auch zu aktuell anstehenden Fragen theologisch Stellung bezog. Dabei sind Fortschreibungen in Einzelfragen durchaus zu beobachten.
Im Folgenden will ich mit ausgewählten Schriften Luthers Zeugnisse zur Reformatorischen Wende zu belegen.
Reformation statt Reform: Luther zum Auftrag der Kirche (1512?)
"Ihr könnt auf dieser ehrwürdigen Synode noch soviel beschließen und erlassen, das einzig Wichtige aber ist, den Priestern, doch die Lehrer des Volkes, zu gebieten, von den frei erfundenen Fabeln abzulassen. Ihre Sache ist das reine Evangelium und seine heiligen Ausleger. Sie sollten dem Volk gewissenhaft das Wort der Wahrheit verkündigen, endlich auch alle Menschenlehren unterlassen oder wenigstens ihren Unterschied zum Worte Gottes hervorheben." KThGQ Band III
Erste Psalmenvorlesung (1513/15)
Selbstverdammung, Rechtfertigung und der Bund Gottes
"Daher wird [Gott] von niemand anderem als gerecht erwiesen als von dem, der sich selbst anklagt, verdammt und richtet. Der Gerechte nämlich ist zuallererst Ankläger, Verdammer und Richter seiner selbst. Und deshalb erweist er Gott als gerecht und lässt ihn siegen und überwinden. Dagegen ist der Gottlose und Übermütige zuerst einer, der sich entschuldigt, verteidigt, rechtfertigt und zu retten sucht. Daher sagt er eben damit, er bedürfe Gottes als Retter nicht und richtet Gott in seinen Worten und macht ihn ungerecht und klagt ihn als Lügner und Falschredner an. ...
Ja auch Glaube und Gnade, durch die wir heute gerechtfertigt werden, würden uns von sich aus nicht rechtfertigen, wenn es nicht der Bund Gottes täte. Eben deshalb nämlich werden wir selig, weil er einen Bund und Pakt [testamentum et pactum] mit uns gemacht hat, dass »wer da glaubet und getauft wird, selig wird« [Mk 16,16]. In diesem Bunde aber ist Gott wahrhaftig und treu und hält, was er versprochen hat. Daher ist es wahr, dass wir vor ihm immer in Sünden sind, so dass er selbst - nämlich durch seinen Pakt und Bund, den er mit uns geschlossen hat -‚ der ist, der gerecht macht."
Gott, unser Schuldner aus freien Stücken
Diesen Gedanken, dass es bei der Rechtfertigung allein auf Gott ankommt, führt Luther in seinen Scholien zu Ps 115,1 (Nicht uns, HERR, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre um deiner Gnade und Treue willen!) mit einem durchaus eigenwilligen Beispiel weiter. "... Daher beruht die Tatsache, dass Gott sich zu unserem Schuldner gemacht hat, auf der Verheißung ... dessen, der sich erbarmt, und nicht auf der Würdigkeit der menschlichen Natur, die Verdienste erwirbt. Denn nichts hat er gefordert außer der Vorbereitung, dass wir für seine Gnade aufnahmefähig sind...; gleichwie ein Fürst oder König des Landes seinem Räuber oder einem Mörder hundert Gulden versprechen würde und nur forderte, dass dieser zum festgesetzten Zeitpunkt und Ort ihn empfangsbereit erwarte. So ist klar, dass jener König aufgrund seines freiwilligen Versprechens ... und seiner Huld ... Schuldner ist ohne das Verdienst des Räubers bzw. Mörders und dass er auch nicht wegen dessen Schuld verweigert, was er versprochen hat. So verhält es sich auch mit der geistlichen Ankunft [adventus] durch Gnade und der endzeitlichen Ankunft in Herrlichkeit, weil sie nicht aufgrund unserer Verdienste, sondern allein aufgrund der Verheißung des barmherzigen Gottes geschehen. Gott hat nämlich für die geistliche Ankunft diese Verheißung gegeben: »Bittet, so werdet ihr empfangen, suchet, so werdet, klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn jeder, der bittet, empfängt« [Mt 7,7f.].
Daher sagen die Gelehrten ... mit Recht, dass Gott dem Menschen, der tut, was in seinen Kräften steht, unfehlbar die Gnade gibt ..., und dass der Mensch sich zwar nicht in voller Würdigkeit auf die Gnade vorbereiten kann, weil sie jeden Maßstab übersteigt, wohl aber in billiger Angemessenheit ..., eben wegen dieser Verheißung Gottes und des Bundes der Barmherzigkeit. ...
Römerbriefvorlesung (1515/16)
Gott will uns nicht durch eigene, sondern durch fremde Gerechtigkeit und Weisheit ... retten, durch eine Gerechtigkeit, die nicht aus uns kommt und geboren wird, sondern die von anderswoher in uns hereinkommt; die nicht unserer Erde entspringt, sondern die vom Himmel kommt [Ps 85,12]. ..."
Neben den Gedanken zum Stichwort "Gesetz und Evangelium" und zur "Fremden Gerechtigkeit" ist für Luther auch die Formulierung "Gerechter und Sünder zugleich - simul justus et peccator" existenziell wichtig. Dazu schreibt er: "Die Heiligen sind inwendig [intrinsece - in den eigenen Augen (!)] immer Sünder; darum werden sie immer außerhalb ihrer selbst [extrinsece - in den Augen Gottes (!)] gerechtfertigt. Die Heuchler aber sind inwendig immer gerecht, darum sind sie außerhalb ihrer selbst immer Sünder." ... "Sein Anrechnen liegt nämlich nicht in uns, auch nicht in unserer Macht. Also liegt auch unsere Gerechtigkeit nicht in uns, auch nicht in unserer Macht, wie Hosea sagt [13,9]: »Du bringst dich ins Unglück, Israel; denn dein Heil steht allein bei mir« (d.h. in dir ist nichts denn Verderben, dein Heil ist außer dir).
»Wundersam ist Gott in seinen Heiligen« [Ps 68,36], vor dem sie zugleich Gerechte und Ungerechte sind [simul sunt iusti et iniusti]. ... Also sind sie in ihren eigenen Augen und in Wirklichkeit ungerecht, bei Gott aber, der sie um des Bekenntnisses ihrer Sünde willen als gerecht ansieht, sind sie gerecht. In Wirklichkeit sind sie Sünder, gerecht durch das gnädige Ansehen Gottes, der sich ihrer erbarmt. Über ihr Wissen hinaus sind sie gerecht, ihrem Wissen nach ungerecht; Sünder in Wirklichkeit, gerecht aber in Hoffnung [peccatores in re, iusti autem in spe]. ..."
Luthers Mitstreiter
Disputation gegen die scholastische Theologie (September 1517)
5. Falsch ist, dass >das freie Streben [appetitus] sich nach jeder von zwei entgegengesetzten Richtungen bewegen kann<; vielmehr ist es gar nicht frei, sondern gefangen (gegen die allgemeine Meinung).
6. Falsch ist es, dass >der Wille sich aus seinen natürlichen Kräften [naturaliter] nach dem rechten Befehl [der Vernunft] richten könne; (gegen Scotus und Biel).
7. Sondern ohne die Gnade Gottes >bringt er notwendig einen Akt hervor, der damit nicht übereinstimmt und böse ist<. ...
10. [Einzig] das wird zugelassen, dass >der Wille nicht frei ist, sich allem Guten zuzuwenden, was ihm von der Vernunft gezeigt wird<; (gegen Scotus und Biel). ...
17. Nicht >kann der Mensch aus seinen natürlichen Kräften [naturaliter] wollen, daß Gott Gott ist<; vielmehr möchte er, er wäre Gott und Gott wäre nicht Gott.
18. >Aus natürlichen Kräften Gott über alles lieben< ist eine Formel mit genausoviel Wirklichkeitsbezug wie ein Wunschtraum (gegen die fast allgemeine Meinung).
98. Damit wollen wir nichts sagen, und wir glauben, auch nichts gesagt zu haben, was mit der katholischen Kirche und den Kirchenlehrern nicht übereinstimmen würde.
95 Thesen gegen den Ablass
In seinen 95 Thesen wandte sich Luther zunächst einmal lediglich gegen den Missbrauch des Ablasshandels, wie er ihn verstand. Ziel war es, dass den Gläubigen Gottes Vergebung auch ohne Gegenleistung zugesprochen werden sollte.
Ob diese Thesen tatsächlich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt wurden, lässt sich historisch nicht mehr belegen. Klar ist nur, dass sie sich - beflügelt durch das neue Medium des Buchdrucks - rasend schnell in Deutschland verbreiteten.
| Thesentür der Wittenberger Schlosskirche (9) |
1: Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Buße“ u.s.w. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
2: Dieses Wort kann nicht von der Buße als Sakrament – d. h. von der Beichte und Genugtuung –, die durch das priesterliche Amt verwaltet wird, verstanden werden.
3: Es bezieht sich nicht nur auf eine innere Buße, ja eine solche wäre gar keine, wenn sie nicht nach außen mancherlei Werke zur Abtötung des Fleisches bewirkte.
4: Daher bleibt die Strafe, solange der Hass gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich.
7: Gott erlässt Strafen nur denjenigen, die sich dem Papst (Gottes Stellvertreter auf der Erde) unterwerfen.
35–40: Niemand kann Vergebung ohne Reue erhalten; aber wer wirklich bereut, hat Anspruch auf völlige Vergebung – auch ohne bezahlten Ablassbrief.
41–44: Das Kaufen der Ablassbriefe hat nichts mit Nächstenliebe zu tun, auch befreit es nur teilweise von der Strafe. Wichtiger sind gute Werke der Nächstenliebe wie Unterstützung für Arme oder Hilfsbedürftige.
zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/95_Thesen
Beim Konzil von Trient wurde 1562 der Ablasshandel in der römisch-katholischen Kirche verboten und seit 1567 mit der Strafe der Exkommunikation belegt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Ablass)
Luthers reformatorische Hauptschriften 1520
Unter der Internetadresse http://www.1theolexamen.de/kg/kg3/lutherschriften20.pdf findet man eine interessante Zusammenstellung zu Luthers Hauptschriften aus dem Jahr 1520. Leider ist der Verfasser des Dokuments nicht genannt. Ich werde mich im Folgenden auf den Inhalt dieses Dokuments beziehen, ohne dass ich die einzelnen Aussage noch einmal überprüfen kann. Sollte jemandem eine Korrektur nötig erscheinen, so bitte ich um eine kurze Notiz.
An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (Sommer 1520)
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| An den christlichen Adel deutscher Nation (10) |
Im ersten Teil dieser Schrift legt Luther dar, dass es keinen "elitären" geistlichen Stand gibt. Vielmehr sind alle Christen zum "allgemeinen Priestertum", d.h. zum Dienst für Christus in der Welt berufen. Weil der sog. geistliche Stand bei der Reform der Kirche versagt, fordert Luther die Fürsten zum Handeln auf.
Damit wendet sich Luther gegen die römische Überordnng der geistlichen über die weltliche Macht. Dem Papst spricht er sowohl das Auslegungsmonopol im Blick auf die Heilige Schrift ab als auch das exklusive Recht, ein Konzil einzuberufen.
Im zweiten Teil der Schrift entfaltet Luther sein Reformprogramm:
- Abschaffung des Kirchenstaates und des Zölibats
- Reform des Bildungswesens, Umwandlung der Klöster
- deutsche Nationalkirche unter der Führung des Erzbischofs von Mainz
- gegen weltliche Mißstände: Luxus, Zinswucher, Trunksucht
De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium (Oktober 1520)
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| Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche (11) |
Nur kurze Zeit später, im Oktober 1520, legt Luther seine nächste Schrift vor. Hier setzt er sich mit dem Sakramentsverständnis der römischen Kirche auseinander. Luther versteht die Sakramente als verbum visibile, als sichtbares Wort Gottes. Deshalb fordert er auch, dass zum Zeichen des Sakraments das Verheißungswort Christi, der das Sakrament stiftet, treten muss. Das Sakrament kann nur im Glauben empfangen werden. Es wirkt nicht aus sich selbst heraus (ex opere operato).
Von den in der römischen Kirche sieben Sakramente bleiben schließlich drei bzw. letztendlich nur zwei übrig: Taufe und Abendmahl. Beiden eignet die Einsetzung durch Christus, beiden ein äußeres Zeichen. Bei der Buße ist Luther sich nicht ganz schlüssig, weil diese kein äußeres sichtbares Zeichen hat.
Firmung, Eheschließung, Priesterweihe und die letzte Ölung sind für Luther keine Sakramente. Allerdings gewinnen sie als Segenshandlung auch und gerade im Leben der evangelischen Christen eine hohe Bedeutung.
Von der Freiheit eines Christenmenschen (November 1520)
| Von der Freiheit eines Christenmenschen (12) |
Von der Freiheit eines Christenmenschen war keine Streitschrift, sondern ein Erbauungstraktat. Luther widmetes dieses Buch Leo X.! Es war wohl einer der letzten Versuche, den Papst zu gewinnen und ihn von seiner Rechtgläubigkeit und seinem guten Willen zur Verständigung zu überzeugen.
Ausgehend von dem Bibelwort 1. Kor 9,19: "Ich bin frei von jedermann und habe mich doch jedem zum Knecht gemacht" verfasst Luther die Grundthese dieser Schrift:
Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan,
und ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Diese Definition christlicher Freiheit bestimmt bis heute das evangelische Selbstverständnis. Durch den Glauben, dass Gott ihm Vergebung der Sünden und damit ein neues Leben schenkt, gewinnt der Christ seine Freiheit, die ihm niemand mehr nehmen kann. Er ist in seinem Tun und Denken einzig und allein dem Dreieinigen Gott verantwortlich. Richtschnur allen menschlichen Handelns bleibt die Heilige Schrift.
Gleichzeitig wendet sich der Christ in der freiwillige Dienstbarkeit des äußeren Menschen durch die Liebe dem Nächsten zu, nicht um der Seligkeit willen. Der Merksatz kann lauten: "Wie Gott mir, so ich dir!"
Mit dieser Betrachtungsweise bekommt die Person Vorrang vor den Werken: Ein guter, frommer Christ macht gute, fromme Werke (nicht umgekehrt!)
Der Zuspruch Gottes macht frei zu echt guten Werken, weil er von dem Drehen um sich selbst befreit.
Christliche Freiheit bedeutet nun auch Freiheit des Glaubens. Kirchlichen Vorschriften sind Nebensache ohne Heilsbedeutung. Dennoch sind kirchliche Regeln nützlich und aus Liebe zu befolgen, da wichtig für das christliche Gemeinschaftsleben. Luther wendet sich gegen radikale Reformen.
De servo arbitrio 1525
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| De servo arbitrio (13) |
In den Zusammenhang mit Luthers Hauptschriften muss noch das Werk aus dem Jahr 1525 gestellt werden. Luther setzt sich noch einmal mit der wiederholt diskutierten Frage auseinander, "ob der Mensch nach dem Sündenfall die Freiheit behalten habe, sich aus eigener Kraft für die göttliche Gnade zu entscheiden, oder ob diese Entscheidung selbst bereits Geschenk der Gnade sei".
Im Gegensatz zur gängigen Lehrmeinung der römischen Kirche und auch im Gegensatz zur Auffassung der Humanisten - Erasmus von Rotterdam hatte im September 1524 die Schrift De libero arbitrio herausgegeben - bestritt Luther ganz entschieden, "dass der Mensch bezüglich des Willens Gottes einen freien Willen habe, also gegenüber dem, was Heil bewirkt. Über ewiges Heil oder ewige Verdammnis entscheidet allein der souveräne Wille Gottes. Da hat der Mensch keinen freien Willen". (https://de.wikipedia.org/wiki/De_servo_arbitrio)
Viermal "sola ..." - und alles "pro nobis"
All die Überlegungen Luthers laufen auf die Zusammenstellung der so genannten vier "Soli" zu:
- sola scriptura
- sola fide
- sola gratia
- solus Christus
Allein durch die Heilige Schrift, allein durch den Glaubens an die Liebe und Gande Gottes, allein aus eben dieser Gnade Gottes und ohne jegliches Verdienst des Menschen und allein durch Christus, für uns Sünder gestorben und auferstanden, wird dem Christen Vergebung der Schuld, ein neues irdisches Leben und dann schließlich der Himmel bei Gott geschenkt.
Wo der Glaubende nun in diesen Kreis der vier "Soli" einsteigt ist egal. Wichtig ist, dass es sich bei dieser Beschreibung nicht um einen theologisch richtigen Lehrsatz handelt, der mit dem Verstand angenommen werden soll, sondern um die göttliche Wirklichkeit, die
- pro nobis,
für uns geschehen ist und die nur im Glauben - sola fide - angenommen werden kann.
vgl. dazu die von der devotio moderna geprägte Frömmigkeit
vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Reformation#Grundlagen_reformatorischer_Theologie
vgl. dazu die von der devotio moderna geprägte Frömmigkeit
vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Reformation#Grundlagen_reformatorischer_Theologie
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